Von den Anfängen bis heute

Nichts geht ohne ein gutes Team

von Jens-Ekkehard Bernerth

Projektleiterin Silja Flach und Projektreferentin Johanna Roos stehen den Stadtteil-Botschafterinnen und Stadtteil-Botschaftern seit 2017 gemeinsam mit Rat und Tat zur Seite.

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Seit 2007 wird das Programm Stadtteil-Botschafter in Frankfurt am Main durchgeführt. Im ausführlichen Interview sprechen Projektleiterin Silja Flach und die beiden früheren Betreuer Dr. Tina Kühr, heute Leiterin des Alumni-Bereichs, und Konrad Dorenkamp, Bereichsleiter Soziales bei der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, über die Anfänge und die Entwicklung des Stipendiums von damals bis heute, was die Herausforderungen und Belohnungen des Programms sind und was die persönlichen Höhepunkte aus 15 Jahren Stadtteil-Botschafter sind.

15 Jahre Stadtteil-Botschafter, herzlichen Glückwunsch! Frau Dr. Kühr, wie ging das Stadtteil-Botschafter-Programm denn los?

Kühr: Prof. Kaehlbrandt hatte 2006 die Idee, ein Programm zu entwerfen für junge Frankfurter, die sich in der Stadt ehrenamtlich engagieren sollen und Selbstwirksamkeit entfalten, indem sie ihr eigenes Ding machen. Weshalb das Programm ursprünglich "Mach Dein Ding" heißen sollte. Man sollte nicht von theoretischen Modellen lernen, wie man sich ehrenamtlich engagiert, sondern sollte ein eigenes Projekt finden, seine eigene Leidenschaft für ein Thema entwickeln, und daran erfahren, wie man ehrenamtlich tätig sein kann. Die Inspiration dafür kam aus Belgien; Ursprünglich war die Überlegung, dass es ein Eliteprogramm werden soll, aber nach vielen Gesprächen in der Stadt – unter anderem mit dem Referat für Bürger-Engagement, Jugend- und Vereinsring, Sportkreis und auch der damaligen Oberbürgermeistern Petra Roth – haben wir festgestellt, dass es lieber ein Programm werden sollte, für das sich alle jungen Leute bewerben können, in dem man Begleitung braucht und wo es im Kern darum geht, dass sich Persönlichkeiten entwickeln und sie wachsen an den Aufgaben, die sie in den Projekten erfahren. Es ging dann recht flott, im August 2006 haben wir die Broschüre geschrieben, es in Ortsbeiräten vorgestellt, Plakate und Postkarten gedruckt und verteilt, und im Januar/Februar 2007 wurde die erste Generation ausgewählt.

Wie viele haben sich damals beworben?

Kühr: Wir hatten in der ersten Generation 20 Projekte und ich meine so 25 bis 30 Bewerbungen ungefähr. Wir hatten noch keine Tandems, nur Einzelbewerber.

Wie sahen die damaligen Rahmenbedingungen aus?

Kühr: Es gab drei, vier Seminare, Schulung und Begleitung in Form von Ansprechpartnerinnen durch die Stiftung sowie Paten der Polytechnischen Gesellschaft, unter anderem der mittlerweile leider verstorbene Walther von Wietzlow (Präsident der Polytechnischen Gesellschaft von 2014 bis 2018, Anm. d. A.). Zudem gab es Begegnungen mit Frankfurter Persönlichkeiten, wir haben Petra Roth getroffen und die amerikanische Generalkonsulin, waren in der Partnerstadt Birmingham, was eine Kooperation mit der Fraport war. In den ersten Jahren haben wir auch viel mit der IHK und Wirtschaftsverbänden und Gewerbevereinen zusammengearbeitet, die haben uns auch Leute vermittelt.

Was haben Sie aus dem erfolgreichen ersten Durchgang gelernt?

Kühr: Wir waren mit dem Resultat zufrieden, dachten aber, dass es besser wäre, Tandems zuzulassen für Leute, die es alleine nicht stemmen können und sich so gegenseitig unterstützen können. Ein erstes Tandemprojekt war dann gleich der erfolgreiche Sports and Fun Day von Aljoscha Ziller und Sascha Wilhelm. Eine weitere Veränderung war, dass wir einen zweiten Pädagogen mit ins Boot geholt haben – Konrad Dorenkamp. Wir haben damals festgestellt, dass das Projekt kein Selbstläufer ist, wir ein Team von Betreuern oder Mentoren aufbauen müssen, ein schlüssiges pädagogisches Konzept brauchen und auch einen Mann im Betreuerteam dabeihaben sollten. Wenn die Stipendiaten nur Seminare, Coachings und Geld bekommen, muss 18 Monate später nicht automatisch das Projekt stehen. Deshalb der Ansatz mit Konrad, zum einen, um die Erfolgschance des Projekts zu erhöhen, zum anderen um die Persönlichkeiten zu entwickeln, und sie dabei zu unterstützen.

Herr Dorenkamp, wie war Ihr Start damals bei den Stadtteil-Botschaftern?

Dorenkamp: Ich kam 2008 als freier Mitarbeiter zum Projekt. Im Jahr zuvor habe ich bereits am Deutschsommer teilgenommen und mich anscheinend recht auffällig verhalten dabei (lacht). Als dann Tina Kühr anrief und mich fragte, ob ich mir das vorstellen könne, habe ich mich gefreut und gerne zugesagt. In der zweiten Generation habe ich dann als Mentor mitgewirkt und in der Folge auch das pädagogische Konzept weiterentwickelt.

Kühr: Das Teambuilding bei den Stipendiaten war auch deine Aufgabe damals.

Dorenkamp: Wir haben viele Dinge methodisch gemacht, um die Menschen zusammenbringen. Für mich war die Begleitung eine Jungfernfahrt, wobei ich sagen muss, dass es wirklich spannend, schön, aber auch fordernd war. Auch wenn Stadtteil-Botschafter von Anfang an etwas auf dem Kasten haben, eine Gabe, Potenzial, Talent, Sendungsbewusstsein, wie auch immer man es sagen will, gibt es in ihrem jungen Leben natürlich Situationen, die aufwendig sind und die sie als ganze Person fordern – und die teils auch das ganze Projekt bedroht haben. Dementsprechend gab es in der Begleitung Situationen, in denen wir die Leute unterstützen, ermutigen, ermahnen oder sogar mal streng ansprechen mussten. Das wirkte oft und führte zu einem positiven Endresultat, selbst wenn auf dem Weg dorthin ein kleines Tal der Demotivation durchquert und Hürden gemeinsame gemeistert werden mussten.

»Die Krise gehört dazu!«

Konrad Dorenkamp
Bereichsleiter Soziales

Eigentlich ja ein normales Geschehen, dass Projekte im Verlauf refokussiert, neu justiert werden.

Dorenkamp: Aus professioneller Sicht gehört das so, klar. Aber für junge Menschen ist es erstmal überhaupt nicht selbstverständlich, dass sich die eigene Idee so nicht umsetzen lässt und sich dementsprechend das Projekt verändert. Die haben ihren Stolz und Idealismus. Und wenn das nicht klappt, ist es tendenziell eher erstmal schwer.

Gab es öfters Momente, in denen jemand hinschmeißen wollte?

Kühr: Ständig (lacht).

Dorenkamp: Die Krise gehört dazu! Und ich habe manches Mal darauf gewartet und darauf gehofft, dass sie kommt. Denn nur so merkt man, was man wirklich will und wo die eigene Kraft ist.

Kühr: Ich glaube aber auch, dass es mittlerweile erheblich stärker in der Stadt angekommen ist als sonst. Also man muss schon sagen, in den ersten Jahren hatten wir… ich würde nicht gerade sagen Widerstände, aber es gab Skepsis in der Art von: "Eine neue Stiftung, mit viel Geld, die macht nun ein Programm und wählt dafür junge Leute aus". Da gab es Ansprüche seitens des Stadtteils "Das ist jetzt unser Botschafter, der muss hier alles können, überall präsent sein, alle Interesse, vertreten", hin zur Kritik à la: "Warum haben die jetzt den ausgewählt, wir hatten doch wen anderes für unseren Stadtteil" bis hin zu "Da kommen junge Leute, wir haben das schon immer so und so gemacht, was wollen die denn jetzt?" Ich glaube, das hat sich schon über die Jahre verändert. Das Programm ist nun bekannter, zumindest ist nun klar, was wir wollen und bezwecken. Zumindest ist das mein Eindruck.

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15 Jahre junges Engagement für Frankfurt

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